TRÄUME IN RÄUMEN

Georges Perec, „Der Raum (Fortsetzung und Ende)“, in: Träume von Räumen, Paris 1973-1974.

 

Ich möchte, dass es dauerhafte, unbewegliche, unantastbare, unberührte und fast unberührbare, unwandelbare, verwurzelte Orte gibt; Orte, die Empfehlungen wären, Ausgangspunkte, Quellen:

 

Meine Heimat, die Wiege meiner Familie, das Haus, in dem ich geboren worden wäre, der Baum, den ich hätte wachsen sehen, (den mein Vater am Tag meiner Geburt gepflanzt hätte), der Speicher meiner Kindheit, gefüllt mir intakten Erinnerungen...

 

Solche Orte gibt es nicht, und weil es sie nicht gibt, wird der Raum zur Frage, hört auf, eine Gewissheit zu sein, hört auf, eingegliedert zu sein, hört auf, angeeignet zu sein. Der Raum ist ein Zweifel: ich muss ihn unaufhörlich abstecken, ihn bezeichnen; er gehört niemals mir, er wird mir nie gegeben, ich muss ihn erobern.

 

Meine Räume sind vergänglich: die Zeit wird sie abnutzen, wird sie zerstören: nichts wird mehr dem gleichen, was einmal war, meine Erinnerungen werden mich im Stich lassen, das Vergessen wird in mein Gedächtnis einsickern, ich werde einige vergilbte Fotos mit geknickten Rändern betrachten, ohne sie wiederzuerkennen. [...] Der Raum schmilzt dahin, wie der Sand zwischen den Fingern zerrinnt. Die Zeit schwemmt ihn fort und lässt mir nur gestaltlose Fetzen zurück.

 

Perec beschreibt in seinen Texten Räume: Orte des öffentlichen Lebens – Straßen, Läden und Cafés – bis tief ins Private hinein – Wohnzimmer, Schlafzimmer, vom Bild an der Wand bis zum Bett. Wie sie sich mit der Zeit verändern. Was sie waren. Was sie sind. Was sie werden. Bis ins kleinste Detail und „unaufhörlich“ untersucht und versucht er sie mit Worten festzuhalten.

Räume entstehen, öffnen sich, verschließen sich wieder, wandeln sich und vergehen – sie sind gefüllt mit Menschen, Objekten, Geräuschen und Geschichten, und sie entleeren sich wieder. Sie stehen im stetigen Wandel.

Straßen, öffentliche Plätze, private Zimmer, gewerbliche Hallen – sie sind eigenständige Entitäten, die für sich stehen und ihr Eigenleben besitzen. Gleichzeitig sind sie Gefäße für Überlappungen, Erinnerungen, Fragmente, Schatten, Scheinwelten und Vergänglichkeiten.

In der Installation von Katharina Kapsamer tauchen Räume und Orte auf und verschwinden wieder. Andeutungsweise hängen Folien von der Decke, stecken ab und segmentieren als Zwischenwände den Raum. Gleichzeitig fungieren sie als Projektionsflächen für Zwischenwelten, Fragmente von Träumen, Spuren, Lichtern und Erinnerungen. Noch bevor das Auge einen konkreten Gegenstand ausmachen kann, hat er sich schon wieder verwandelt. Die Installation steht als offenes Kunstwerk zur Begehung frei. Die BesucherInnen sind eingeladen, sich durch den Raum zu bewegen und in (T)raumwelten einzutauchen.

 

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   Photo: Anita Thanhofer                      Photo: Andreas Brandl  Photo: Andreas Brandl   Photo: Andreas Brandl   Photo: Andreas Brandl   Photo: Andreas Brandl   Photo: Andreas Brandl   Photo: Andreas Brandl   Photo: Andreas Brandl   Photo: Andreas Brandl   Photo: Andreas Brandl  Photo: Andreas Brandl  Photo: Andreas Brandl